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Busch, Jörg W., Thronvakanzen

Aufsatzzusammenfassung: Busch, Jörg W., Thronvakanzen als Spiegel der Entwicklung des Deutschen Reiches zwischen dem 10. und dem 14. Jahrhundert, in: Majestas 3, 1995.

Das Thema des Aufsatzes von Jörg W. Busch ist die Vorgeschichte der Reichsverwesungsregelung in der Goldenen Bulle von 1356. Dabei wird nicht nur der Wandel in der Verfahrensweise während einer Vakanz betrachtet, sondern auch die Entwicklung des Reiches und der Anschauung von ihm aus dem Blickwinkel der Thronvakanzen bzw. der herrscherlosen Zeit.
Leitfrage ist dabei, wie man in verschiedenen Zeitabschnitten mit dem Zustand der Vakanz umging. Anhand von exemplarischen Beispielen versucht Busch seine Feststellungen zu belegen.
Der zeitliche Rahmen der Untersuchung liegt zwischen dem Tod des letzten ostfränkischen Karolingers 911 und der Goldenen Bulle 1356.

Als eine Thronvakanz bezeichnet Busch den Zustand, der mit dem Tod des Königs beginnt und mit dem Herrschaftsantritt eines neuen Königs endet. Allerdings greife dieser Terminus nicht für die Zeit nach dem Tod Ludwig des Kindes im Jahre 911 und Konrad I. 918. Dort spricht der Autor von „Zeiten ohne Herrscher“.
Der Zustand einer Vakanz stelle eine Phase der Rechtsunsicherheit dar, da der oberste Richter, also der König, nicht vorhanden sei, und somit das Reich führungslos sei. Dies bedeute eine Gefahr aus der Sicht des mittelalterlichen Menschen, da er sich schutzlos vielen Gefahren („Raub, Brand und Mord“) ausgeliefert sehe.
Was geschah bei dem Tod eines Herrschers ohne Sohn? Busch erläutert folgend seine Ergebnisse: Während des frühen 10. Jahrhunderts waren die „Stammesführer“ , die Familienoberhäupter der einflussreichsten Familien in den Stammesgebieten der alten karolingischen regna, initiativ für die Königserhebung.
Die Ottonen versuchten während ihrer Herrschaft die Bildung einer Dynastie. Die Herrscher erhoben zu ihren Lebzeiten ihre Söhne zu Mitkönigen. Ein Problem stellte es dar, wenn der Vater während der Minderjährigkeit des Sohnes verstarb. Die Witwe des verstorbenen Königs trat als Vertreterin des Minderjährigen auf. Sie wurde als Reichsverweserin angesehen, seitdem die Frau Heinrichs II., Kunigunde, 1024 die Reichsinsignien an sich nahm und auch praktisch das Reich kraft Autorität lenkte. Busch weist darauf hin, dass sie keinesfalls, wie in der älteren Forschung angenommen wurde, unter der Vormundschaft ihrer Sippe stand, sondern von der Königsfamilie und den Großen allenfalls beraten wurde.
Als aber eine andere Herrscherwitwe, nämlich Mathilde, rund ein Jahrhundert später ebenfalls die Verwesung versucht, scheitert sie an der Zustimmung der Großen des Reiches. Diese geboten den Landfrieden, und zeichneten sich somit verantwortlich für die Rechtssicherheit im Reich.
Mit der Herausbildung und Festigung der Territorien im Reich wurde ein weltlicher Vertreter (ab 1356 zwei) während der Vakanz Wahrer der Rechtssicherheit und des Reiches. Er entstammte dem Kurkollegium, das sich aus den wichtigen und großen Territorien des Reiches zur Königswahl bildete. Auch der Papst versuchte 1317, die Reichsverwesung an sich zu reißen. Doch er konnte sich nicht durchsetzen.
 Diese Entwicklung vollzieht sich also in vier Etappen: Zuerst waren die „Stammesführer“ initiativ, während der Ottonenzeit die Herrscherwitwe und ihre Sippe, dann die „(Reichs-) Fürsten“ und schließlich die Kurfürsten.

Die Königsinsignien spielten bei der Erhebung eines neuen Königs eine untergeordnete Rolle: Wer sie hatte, konnte längst noch keine Königsrechte geltend machen, denn es bedurfte der Zustimmung der Mächtigen im Reich. Zwar glückte der Versuch Heinrichs II., als er sich der Insignien bemächtigte, doch konnte er nur durch die Zustimmung der Großen auch die Königsrechte im Reich ausüben. Busch stellt klar, dass demjenigen, der sie in Verwahrung hielt, eine wichtige Position bei der Königserhebung zufallen konnte.

Auch die Ansicht des Reiches machte während der oben genannten Periode eine Entwicklung durch: König = Reich, so lässt sich die Anschauung des Reiches im frühen 10. Jahrhundert in eine Formel transponieren. Die Herrschaft wird rein personalisiert gesehen.
Im Laufe der Zeit verdeutlicht sich eine Objektivierung von Herrschaft, denn 1002 kam die Überlegung auf, dass Heinrich II. lediglich die cura regni ausübe. Mit dem Instrument des Landfriedens als Sicherungssystem während der Vakanzen lernten sich die „(Reichs-) Fürsten“ in ihrer Gemeinschaft als Reich zu verstehen. Sie sahen sich nicht mehr an die Person des Königs gebunden. Dies gründet sich nach Busch daraus, dass die Fürsten sich während des Kampfes zwischen Heinrich IV. mit Gregor VII. zusammengefunden hätten. Dabei traten dann die Königswitwen zurück, in der Regelung der Goldenen Bulle wird dies klar definiert (vgl. Sitzordnung). Schließlich beginnt mit der Festigung der Territorien und dem damit einhergehenden Herausbilden des Kurkollegiums eine weitere Phase der Ansicht des Reiches und der Herrschaft. Das Reich ist zu einer eigenständigen Größe geworden, der König nimmt nur noch ein Amt war, seine Person ist nicht synonym mit dem Reich.

Das Verständnis von Königsherrschaft ist nach Busch in den erwähnten Phasen ebenfalls eines Wandlungsprozesses unterlegen: Zu Beginn handelte es sich um ein von Sippen geprägtes Königtum, das auf „Personenbeziehungen“ beruhte. Im Laufe der Zeit wurde daraus der Versuch, aus der Königsherrschaft eine dynastische Monarchie zu machen. Da sich keine Herrscherfamilie  durchsetzten kann, wandelt sich die Ansicht hin zu einem überindividuell aufgefasstem Königtum, also zu einem nicht an Personen gebundenes Amt. Das Reich an sich tritt letztlich während dieser Entwicklung  diesem Amt gegenüber als eine eigenständige Größe.

Mit der Goldenen Bulle sind 1356 laut Busch „mehr oder weniger“ ausführlich Regelungen getroffen worden, wie im Falle des Königstodes erbrechtlich zu verfahren sei. Dabei sind sowohl die Rechte als auch die Verbote für den Reichsverweser genannt.

In seinem Aufsatz stellt Busch die Entwicklungsprozesse des Reiches und der Königserhebung  sowie der Ansicht des Reiches dar. Als Ergebnis wird für Busch die beschriebene Vierphaseneinteilung sichtbar.

[Bewertung des Aufsatzes: 2+, 20.06.2001]


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